Samstag, 25. April 2015

Interview mit Ulf Wanderer: Zur Homöopathie und zu unserem Wissenschaftsverständnis

Greatfighthomeopathy
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Mark, Zuckerberg: impft seine Kinder nicht: http://www.iflscience.com/health-and-medicine/zuckerberg-vaccinates-child-anti-vaxxers-show-true-colors

Zeit-Online-Website: http://www.zeit.de/thema/homoeopathie

http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2016-11/homoeopathie-naturheilkunde-heilpraktiker-alternativmedizin-arzneimittel-postfaktisch

Wie schätzen Sie die Homöopathie ein?

Ulf Wanderer: Da gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Die wissenschaftliche Position dazu ist sehr klar. Den Kampf mit traditionellen Systemen aber weiß die Homöopathie als Kampf zwischen David und Goliat zu instrumentalisieren, so dass der Eindruck entsteht, die Wissenschaft wäre vorrangig eine Verlängerung der Pharmakonzerne.

Norman Schultz: Bei den Skeptikern findet sich nun ein interessantes Interview zur Homöopathielüge. In diesem Interview geht es darum, wie wenig die wissenschaftlichen Studien Anhänger der Homöopathie überzeugen und im Gegenteil einzelne nicht reproduzierbare Studien als Gegennachweis missbraucht werden.

Ulf Wanderer: In der oberflächlichen Mediendiskussion hört es sich tatsächlich für den Laien so an, als würden Wissenschaftler schlichtweg eine Interpretation geben. Dementsprechend handelt es sich um ein Meinungsduell, eine Weltanschauungsdebatte. Dies ist ein Problem der Demokratie, nämlich dass Wissen immer durch Meinungen diskreditiert wird.

Norman Schultz: Um dieses Problem einer jeden Demokratie zu umgehen, schlägt der Autor daher eine in meinen Augen autoritäre Lösung vor. Demnach müssten wir unsere objektiven Naturgesetze nehmen und unvereinbare Theorien schlichtweg ausschließen. Es wäre demnach nicht erlaubt Homöopathie zu testen, da sie schlichtweg nicht mit unserem objektiven wissenschaftlichen System vereinbar wäre.

Ulf Wanderer: Ich halte diese Argumentation für fatal, da sie einen Rückfall in einen logischen Positivismus bedeutet, der Naturgesetze als objektiv erfahrbar formuliert. Naturgesetze aber entstehen aufgrund von Beobachtungen und daher muss ihre Diskussion jederzeit kritisierbar sein. Im Grunde hatte das ja Habermas schon in den sechziger Jahren festgestellt. Der Skeptiker ist als eigentlich ganz und gar nicht Skeptiker, denn er befindet sich hier in dem naiven Glauben, dass die Formulierung von Naturgesetzen objektiv vollzogen werden kann, das heißt, dass wir Wissen letztgültiges objektives Wissen haben können.

Norman Schultz: Was ist daran verkehrt, anzunehmen, dass wir die Welt bereits verstanden haben?

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Konditionierung auf Medikamente, dies machen "sanfte" Mütter mit Homöopathie By Jorge Royan (Own work) CC-BY-SA-3.0"
Ulf Wanderer: Dies ist eine fehlerhafte Perspektive auf den Wissensbegriff. Wissen über die Natur entsteht durch Beobachtungen, das heißt es basiert immer auf induktiven Schlüssen. Induktive Schlüsse aber geben nur Wahrscheinlichkeiten an.

Norman Schultz: Abgesehen von der wissenschaftsautoritären Einstellung stimme ich dem Autor zu. Interessant empfand ich die Tatsache, dass es wohl vereinzelte Studien gibt, die Homöopathie in ein gutes Licht stellen. Dies, so wie ich es verstehe, werde dann von den Vertretern der Homöopathie missbraucht.

Ulf Wanderer: Eine Fachdebatte könnte klären, dass diese Einzelnachweise wertlos im großen Ganzen sind. Aber nochmal, die Schlussfolgerung des Interviews nun aber bestimmte Verfahren, die mit unseren “objektiven” Werten nicht übereinstimmen, auszuschließen, halte ich konträr zur skeptischen Grundhaltung. Der Artikel macht glauben, dass wenn wir die Naturgesetze als objektiv unausweisbar hielten (so wie etwa die euklidische Geometrie, oder meinetwegen Phänomene wie “Kraft”), dann in purer Subjektivität und im Geisterglauben verkommen würden. Für die Pragmatiker allerdings, die sich doch gleich auch immer als Skeptiker verstehen, heißt es, nur weil wir absolute, objektive Maßstäbe ablehnen, ist relatives Wissen nicht unmöglich. Nehmen Sie zum Beispiel den Urmeter. Es ist eine Konvention und Meter gibt es in diesem Sinne nicht. Der Maßstab ist nicht absolut, dennoch können wir das sehr gut gebrauchen. Genauso brauchen wir Naturgesetze nicht als absolut festzulegen.

External beam radiotherapy retinoblastoma nci-vol-1924-300
"In der Tat, die kalte Apparatenmedizin wirkt abschreckend im Vergleich zu Zuckerkügelchen By Unknown photographer/artist Public domain"
Norman Schultz: Ich stimme ihnen zu. Es fehlt zwar letzte Sicherheit aber relativ zum Erreichten lassen sich Beschreibungen anfertigen. Ich nehme ein simples Beispiel, um einfach analogisch zu demonstrieren, was ich meine. Schach: Wir spielen verschiedene Eröffnungssysteme. Momentan können wir allerdings nicht beurteilen, welches von den gegenwärtig akzeptierten Eröffnungsystemen näher an einer endgültigen Wahrheit dran ist, das heißt, welches System notwendig zum Sieg von Weiß oder Schwarz führt. Es kann sein, dass alle Eröffnungssysteme, die wir momentan spielen, gänzlich falsch sind. Dennoch bewehren sich Schacheröffnung nach statistischen Kriterien und sind gleichwohl nicht absolut objektiv. Akzeptieren wir dies als Wissen (als vorläufiges und stets revidierbares Wissen), so wissen wir doch etwas. Es wäre nun vollkommen falsch neue Eröffnungsideen auszuschließen, weil sie mit den von uns (angeblich “objektiven”) Gesetzen des Schachs nicht übereinstimmen würden. Ähnliches gilt für all das, was wir als Wissen bezeichnen.

Ulf Wanderer: Gesetze sind Fallbeschreibungen, die auf Induktionen beruhen. Daher verstehe ich nicht ganz, wie wir die normativen Kriterien einer positivistisch verstandenen Wissenschaft (wobei viele Physikerkreise, die ich kenne den Positivismus nicht notwendig vertreten) rechtfertigen können. Selbst der Artikel wird nicht müde zu betonen, das Naturgesetze nicht empirisch deduktiv bewiesen werden können. Sie werden nach den Möglichkeiten unseres endlichen Wissens induktiv abgeleitet. Ein reduktionistischer Positivismus zumindest wäre nicht mehr skeptisch und es klingt für mich eher so, dass die Errungenschaften unserer pragmatischen Wissenschaft zugunsten eines “naiven” Materialismus aufgegeben werden sollen. Die Entscheidung jedenfalls generell keine Studien zur Homöopathie durchzuführen (obwohl ja mittlerweile nun schon zur Genüge diese Experimente gemacht wurden), ja dass niemals welche hätten durchgeführt werden sollen, erscheint mir zunächst suspekt und ich habe die Argumentation nicht verstanden.

Norman Schultz: Offenbar setzt der Autor wenig skeptisch unsere induktiv abgeleiteten Naturgesetzmäßigkeiten als ewig gültige Gesetze. An die Stelle eines Geisterglaubens würde damit nur ein anderer Glauben treten, der wenngleich doch wenigstens auf Induktionen gewonnen und an unserem gegenwärtigen endlichen Wissen gewonnen, eben auch unsicher wäre.

Ulf Wanderer: Der Grund warum ich nicht an Homöopathie glaube, sind die zahllosen Diskussionen der Studien, auch in diesem Forum. Mir erscheint es nicht richtig, auf eine Medizin zu vertrauen, die sich an den Standards unseres gegenwärtigen Wissens nicht messen kann. Womöglich verstehe ich den Artikel nicht richtig, aber glauben die Autoren wirklich, dass eine Nichtdurchführung von Studien dazu führen würde, dass Homöopathen nicht mehr an Homöopathie glauben? Stattdessen schlagen die Autoren vor, wir sollten die Welt so darstellen, als wüssten wir ihre objektiven Gesetze? Ich versuche es nachzuvollziehen. Doch ganz ehrlich wenn jemand valide Studien durchführt, zu einem Mittel, dass sich mit gegenwärtiger Physik oder Medizin nicht vereinbaren lässt, dieses Mittel sich aber durch die Studien als wirksam erweist, dann müssen wir unsere vorläufig formulierten (angeblich objektiven) Naturgesetze ändern und ich dachte dies wäre der Gang unserer bisherigen Wissenschaften gewesen.


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